Fotoshooting mit Kuscheltieren

SVZ/ Anja Bölck /Fotos: Volker Bohlmann: Margret Schiller sorgt für herzerfrischende Stimmung im Seniorenhaus Schelfwerder

SVZ/ Anja Bölck /Fotos: Volker Bohlmann:

Gelächter im Altenheim. Monika, Helga, Gerda und Anna spielen Models. Sie posieren vor der Kamera mit Kuscheltieren. Mit derart lustigen Ideen lockt die Schwerinerin Margret Schiller Heimbewohner aus ihren Zimmern.

Margret Schiller ist wie ein Überraschungsei. „Bei mir gibt es immer Spiel, Spaß, Spannung und manchmal auch Schokolade“, ruft sie mit ihrer kräftigen Stimme und schon schauen im Pflegeheim die ersten Bewohner und Bewohnerinnen neugierig aus ihren Zimmern. „Letzten Sonntag gab’s Frühshoppen bei uns, mit Bierprobe. Die Würste hab ich auch gleich mitgebracht.“

Ganz langsam, im Zeitlupentempo, biegen einige ältere Damen mit ihren Rollstühlen und Rollatoren in den Gemeinschaftsraum ein. Was hat ihre Betreuerin denn heute wieder Schönes vor? Neugierig schauen sie Margret Schiller an. Die grüßt freudig: „Hereinspaziert zum Fotoshooting – mit einem echten Fotografen von der Zeitung.“ Noch ist der nicht da, aber die Seniorinnen bringen sich schon mal in Position.

Margret Schiller zeigt ihnen eine große Tasche, die voll mit Kuscheltieren ist. „Sucht euch gern eins aus“, sagt sie und schon fischt sich Helga Rosner das Eichhörnchen heraus. Gerda Hartmann entscheidet sich für den Teddybären, Anna Schumacher für die Katze und Monika Hausenblas möchte unbedingt die Mickey Mouse. „Oh wie süß, oh wie süß.“ Verzückt drücken sich die Frauen die Tiere an die Wange.

Ein Fotoshooting mit Kuscheltieren – wer hat sich das ausgedacht? Natürlich Margret Schiller. Sie ist eine von fünf Betreuungskräften, die im AWO Seniorenhaus Schelfwerder in Schwerin arbeiten. „Wir beschäftigen die Heimbewohner 365 Tage im Jahr“, sagt sie. „Selbst am Sonntag. Niemand muss allein in seinem Zimmer sitzen.“ Mit Sport, Gedächtnistraining, Singen, Malen, Backen werden Geist und Körper fit gehalten.

Margret Schiller liest auch regelmäßig aus der Zeitung vor, damit die Heimbewohner wissen, was vor ihrer Haustür los ist. Vor gar nicht langer Zeit las sie einen Betrag über eine junge Frau, die Fotoshootings mit Tieren anbietet. Sie schnitt ihn aus und präsentierte ihn den Senioren. „Wollen wir auch? Vielleicht nicht mit echten, sondern mit Kuscheltieren?“ Natürlich wollten sie. Und so startete Margret Schiller ein hauseigenes Fotoshooting, an dem mal eben 20 Bewohner teilnahmen, darunter auch Männer.

Zufällig erfuhr die Autorin des Zeitungstextes davon. Denn eine Freundin von Margret Schiller schrieb einen Leserbrief. Darin erzählte sie von dem bombigen Fotoshooting im Altenheim und schwärmte von Margret Schiller: „Wir sollten dankbar sein, dass es solche Menschen gibt, die trotz der schlechten Bezahlung ältere Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt so kreativ und mit vollem Einsatz begleiten. Ich würde mich freuen, wenn ich in ein Pflegeheim kommen sollte, auf so einen Menschen wie Margret zu treffen.“

Die Leserin schlug vor, mal in der Rubrik „Alltagshelden aus MV“ über Magret Schiller zu schreiben. Doch just zu diesem Zeitpunkt wurde eine Alltagsheldin aus einem anderen Pflegeheim vorgestellt. Aber dieses Fotoshooting - das hörte sich interessant an. Folgt denn da noch eins?

Ja und zwar heute. Dieses Mal ist die Zeitung dabei. Fotograf Volker Bohlmann biegt soeben um die Ecke. Weil es so drückend warm ist, nicht jeder so viel Aufregung verkraftet oder in die Zeitung mag, findet das Ganze in kleinerer Runde statt. Helga Rosner, Gerda Hartmann, Anna Schumacher und Monika Hausenblas wollen unbedingt.

Während der Fotosession lassen sie Volker Bohlmann nicht aus den Augen. Ohne zu murren folgen sie seinen Anweisungen. „Arme etwas höher, hierher gucken, lächeln!“„Oh Gott, ein Fotograf hat’s auch nicht einfach“, stellt Helga Rosner fest. „Kann ich auch mal die Fotos sehen?“, fragt Monika Hausenblas. Volker Bohlmann zeigt sie ihnen auf dem Display seiner Kamera. „Oh ja, schön, sehr gut…“ Die vier freuen sich wie die Schneekönige und eine sagt noch: „Wenn meine Tochter das sieht, wird die sagen: Mutti, was war bei euch los? Die wird gucken.“

Auch Margret Schiller strahlt. Sind die Heimbewohner glücklich, ist sie es auch. Das Lachen der alten Leute sei ihre größte Motivation, sagt sie. „Das Leben ist ernst genug und jeder hat hier sein Päckchen zu tragen. Aber wenn wir zusammen sind, haben wir Spaß. Da gehen alle mit einem lachenden Auge raus.“

Margret Schiller hat diese Lebenseinstellung von ihren Eltern mit auf den Weg bekommen. Egal ob Höhen und Tiefen vor ihr liegen, sie marschiert immer geradeaus. Auch im Job. 30 Jahre hat die gelernte Buchbinderin bei der Schweriner Volkszeitung (SVZ) im Kundendienst gearbeitet. Dann folgten 15 Jahre beim Obotritendruck Verlag. Anschließend eröffnet sie ein Café im Ärztehaus Gusanum in Schwerin. Da merkt sie, wie gut sie mit alten Leuten kann.

Mit 54 Jahren macht sie im Pflegeheim, wo heute das Fotoshooting stattfindet, eine Umschulung zur Betreuungskraft. Kein leichter Job, stellt sie fest. „Man ist Seelsorgerin, Trösterin, Familienersatz, Essen und Trinken-Reicherin, Freizeitgestalterin und Geburtstagsständchen-Singerin am Bett.“ Als Margret Schiller mit der Umschulung fertig ist, wird sie vom Fleck weg angestellt.

Aus die Maus. Das Fotoshooting ist beendet. „Wir freuen uns auf den Zeitungsbeitrag“, sagt Margret Schiller und sammelt die Kuscheltiere ein. Die wohnen alle bei ihr Zuhause.  

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