Profis im Kinderschutz

Kinder- und Jugendnotdienst muss in immer mehr Fällen und bei komplexen Problemen helfen

Artikel SVZ/Maren Ramünke-Hoefer:

Doreen Graack und ihr Team vom Kinder- und Jugendnotdienst der AWO kennen Schwerin von einer besonderen Seite: Jugendliche, die es bei ihren Eltern nicht mehr aushalten. Junge Mütter, die mit ihrem Kleinkind überfordert sind. Familien, in denen Alkohol, Drogen oder Gewalt zur Tagesordnung gehören. Kinder, die vernachlässigt, missbraucht oder geschlagen werden. Kinder in Ausnahmesituationen. Der Notdienst kümmert sich um die Fälle, in denen das Kindeswohl bedroht ist. Und die werden immer mehr. Jetzt sucht die AWO Verstärkung für ihr Team.
Sieben Betreuungs-Plätze stehen beim Notdienst am Packhof bereit. Zu wenig für eine Landeshauptstadt? Mehr als 100 Kinder und Jugendliche werden hier pro Jahr aufgenommen. Seit einem Jahr etwa arbeite die Einrichtung permanent an der Belegungsgrenze, sagt AWO-Fachbereichsleiter Steffen Marquardt. Für die Mitarbeiter sei der Druck immens. Denn wenn im Notdienst alle Betten belegt sind, was passiert dann mit neuen Fällen, die mitten in der Nacht auflaufen? Trotzdem liebt Notdienst-Leiterin Doreen Graack ihren Job.

Profi-Team und jeden Tag neue Erfahrungen

„Jeder Tag bringt neue Erfahrungen und unsere Kreativität ist ständig gefragt. Es wird hier nie langweilig. Ich lerne viele Menschen und Kulturen kennen, aber auch die unterschiedlichsten Verwaltungsverfahren und -wege. Und schließlich bin ich auch in Sachen Jugendsprache ziemlich auf dem Laufenden“, sagt die Schwerinerin mit einer Begeisterung, die ansteckt. Gute Netzwerkarbeit mit Polizei, Jugendamt, Schulen, Kitas, Jugendpsychiatrie und Gesundheitsämtern gehöre ebenso zum Handwerk. Einmal die Woche ist Teamsitzung mit der ganzen Belegschaft, regelmäßig gibt es Fortbildungen.
„Profis im Kinderschutz“ nennt Steffen Marquardt seine Leute. Wenn er sie mit einer Fußballmannschaft vergleichen müsste, dann mit einer aus der Champions League. Alle verfolgen mit viel Engagement dasselbe Ziel, orientieren sich an derselben Leitlinie und können sich auf den andere verlassen. „Der Job ist nicht ruhig, aber abwechslungsreich. Und wir suchen keine Einzelkämpfer, sondern hochqualifizierte Teamplayer“, sagt Marquardt.

Einige Jugendliche bleiben bis zu fünf Monate

Vor etwa einem Jahr stellten Graack und Marquardt dem Jugendhilfeausschuss der Stadt ihre Arbeit mit Fallbeispielen vor. Die Stadtpolitiker waren betroffen, erschüttert von den Geschichten und fasziniert von der Arbeit, die die AWO vor Ort leistet. Marquardt hofft, dass sie das nicht vergessen haben, wenn es wieder um die Finanzierung geht. Immerhin: Inzwischen sind zwölf Stellen von der Stadt für die Einrichtung am Packhof genehmigt, besetzt sind davon zurzeit aber nur zehn.
Sozialdezernent Andreas Ruhl erklärte schon im Herbst 2021, dass er sich vom Land mehr finanzielle Unterstützung wünscht, beispielsweise für Modellprojekte für „Systemsprenger“: Kinder und Jugendliche, die in klassischen Wohngruppen oder bei Pflegefamilien immer wieder anecken. „Wir haben inzwischen Jugendliche, die drei bis fünf Monate bei uns sind“, sagt Graack. Fachlich vorgesehen sei für den Kinder- und Jugendnotdienst eine Aufenthaltsdauer von drei bis fünf Tagen. Auf diese veränderten Bedingungen müsse sich die AWO einstellen, sagt Marquardt. Perspektivisch werde der Bedarf im Notdienst in Schwerin noch steigen. Mit genug gutem Personal und Ideen könne man diese Herausforderung angehen.

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